Wenn die Kraft ausgeht

„Kraft ist nicht verhandelbar.“ Ein Satz, der mich seit Tagen begleitet. Gelesen habe ich ihn in Füreinander sorgen – einem Buch, das ich zurzeit oft aufschlage. Er stammt von Anja Gaca, aufgegriffen von Susanne Mierau, die weiter schreibt: „Kraft ist zu keinem Zeitpunkt unseres Lebens verhandelbar, und Überlastung – egal durch welche Art von Arbeit – ist Überlastung.“ Lies das ruhig nochmal. Denn irgendwie berührt dieser Satz eine Stelle in mir, die ich im Alltag oft übergehe.

„Wie geht's dir?“ Dreisilbig, freundlich gemeint, beiläufig gestellt – und blitzschnell beantwortet: „Gut, danke!“ Eine automatische Reaktion. Fast ein Reflex. Aber was, wenn da drunter etwas ganz anderes liegt? Müdigkeit. Wut. Aufgewühltsein. Leere. Vielleicht auch einfach: gar nichts. Und trotzdem bleibt all das unausgesprochen. Warum eigentlich?

Wir haben verlernt – oder nie richtig gelernt – über unsere Gefühle zu sprechen.
Nicht weil wir gefühllos wären. Sondern weil es oft nicht vorgesehen ist. Gesellschaftlich gilt: Wer stark ist, funktioniert. Wer emotional ist, wird belächelt.
Wir lernen früh, unsere Gefühle zu zähmen, wegzupacken, freundlich zu nicken.
Und je mehr wir das tun, desto weniger greifen wir nach Worten, wenn es darauf ankommt.

Manchmal ist da auch Scham. Besonders bei jenen Gefühlen, die „nicht ins Bild passen“. Erschöpfung, Neid, Überforderung – alles menschlich, aber oft als Schwäche gedeutet. Also verstecken wir sie lieber. Als Schutz. Als Anpassung. Aus Gewohnheit. Und manchmal fehlen uns schlicht die Worte. Wie soll man sagen, was sich innerlich verschiebt, wenn man selbst kaum begreift, was da passiert?

Vielleicht beginnt Fürsorge nicht mit Lösungen. Vielleicht beginnt sie damit, dass wir einander wieder zuhören. Ehrlich. Unaufgeregt. Ohne Bewertung. Denn Kraft ist nicht verhandelbar. Und Menschsein auch nicht.

Zurück
Zurück

Vereinbarkeit - ein Privileg?

Weiter
Weiter

Gibts doch gar nicht!