Gibts doch gar nicht!
Work-Life-Balance. Ein Begriff, der uns so lange begleitet hat – und doch greift er für viele längst zu kurz. Denn: Arbeit ist Leben. Und Leben ist auch Arbeit. Diese beiden Sphären lassen sich nicht sauber voneinander trennen, so sehr wir es manchmal auch versuchen. Sie sind ineinander verwoben. Unauflöslich.
Wenn ich heute über Vereinbarkeit spreche, höre ich oft: „Das ist doch längst überall Thema!“ Und ja – vielleicht stimmt das. Vielleicht ist dein Umfeld längst sensibel für die Herausforderungen, die entstehen, wenn Arbeit, Familie, Alltag und Ich-Zeit unter einen Hut gebracht werden müssen. Vielleicht hast du für dich einen guten Weg gefunden. Und ich freue mich aufrichtig, wenn das so ist. Aber das ist eben nur ein Ausschnitt. Für viele andere ist das Bild ein ganz anderes. Für sie fühlt es sich nicht nach Vereinbarkeit an – sondern nach dem Gegenteil davon. Nach Unvereinbarkeit. Oder wie jemand im Internet es mal so treffend nannte: VerKEINbarkeit. Denn Vereinbarkeit ist – bei allem guten Willen – nicht automatisch gegeben. Sie ist nicht neutral verteilt. Sie ist ein Privileg. Und genau deshalb dürfen wir sie nicht nur individuell denken.
Vereinbarkeit beginnt nicht erst, wenn Kinder in dein Leben treten. Sie betrifft uns alle – quer durch Generationen und Lebensphasen. Jugendliche, die zwischen Schulstoff und Selbstfindung balancieren. Studierende, die zwischen Lernstress und Nebenjob die Luft anhalten. Eltern, die im Dazwischen von Care-Arbeit, Terminen und To-dos manchmal sich selbst verlieren. Menschen, die Angehörige pflegen. Oder die eigenen Bedürfnisse, weil „keine Zeit dafür ist“. Wir alle jonglieren. Tag für Tag. Lohnarbeit. Beziehungen. Körper. Gefühle. Und manchmal fühlt es sich eben nicht nach Balance an – sondern nach Zerrissenheit. Nach dem dauernden Versuch, es irgendwie möglich zu machen. Und dem dumpfen Gefühl, dass es doch nie ganz reicht. Vielleicht wäre ein erster Schritt: anzuerkennen, dass Vereinbarkeit nicht nur ein individuelles Organisationsproblem ist. Sondern eine Frage von Bedingungen. Von Unterstützung. Von politischem Willen. Und dass sie dann kein Privileg für wenige bleibt – sondern Realität für viele werden kann.